Lingua   

Hunger ist heilbar (Eine deutsche Allegorie)

Erich Kästner
Lingua: Tedesco




Es kam ein Mann ins Krankenhaus
und erklärte, ihm sei nicht wohl.
Da schnitten sie ihm den Blinddarm heraus
und wuschen den Mann mit Karbol.

Befragt, ob ihm besser sei, rief er: “Nein.”
Sie machten ihm aber Mut
und amputierten sein linkes Bein
und sagten: “Nun gehts Ihnen gut.”

Der arme Mann hingegen litt
und füllte das Haus mit Geschrei.
Da machten sie ihm den Kaiserschnitt,
um nachzusehen, was denn sei.

Sie waren Meister in ihrem Fach
und schnitten ein ernstes Gesicht.
Er schweig. Er war zum Schreien zu schwach.
Doch sterben tat er noch nicht.

Sein Blut wurde freilich langsam knapp.
Auch litt er an Atemnot.
Sie sägten ihm noch drei Rippen ab.
Dann war er endlich tot.

Der Chefarzt sah die Leiche an.
Da fragt ein Andrer, ein junger:
“Was fehlte denn dem armen Mann?”
Der Chefarzt schluchzte und murmelte dann:
“Ich glaube, er hatte nur Hunger.”



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