Language   

Ich wund’re mir über gar nichts mehr

Otto Reutter
Language: German


Otto Reutter


An der Haltestelle steh’ ich oft da,
Da wart’ ich oft stundenlang auf die A.
Sie kommt nicht so, wie sie kommen soll —
Und wenn eine kommt, dann ist sie voll.
Und grad’, die ich nicht brauch’, die ist leer,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Ich esse den Käse — auch wenn er nichts wert—
Ich esse die Wurst mitsamt dem Pferd.
Die Sandtorte ess’ ich mitsamt dem Sand,
Immer rein in den Magen fürs Vaterland.
Und schmeckt auch die Marmelande wie Teer,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Noch kurz vor dem Kriege sah ich ’nen Mann,
Der hatte zerrissene Stiefel an,
Im ersten Kriegsjahr, da war’n sie besohlt,
Im zweiten, da hat er schon neue geholt.
Im dritten, da war er schon Millionär —
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Um acht kauft’ ich Seife, das Stück acht Mark,
Um neun kost’ sie neune, der Preis war stark —
Um zehn kost’ sie zehne, der hatte noch Glück,
Um elfe kost’ elfe dasselbe Stück.
Um zwölfe, da war der Preis noch höh'r,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Fünfundzwanzig Pfennig kost’ erst der Kaffee.
Dann dreißig, da war die Milch passé,
Dann fünfunddreißig, der Zucker war hin,
Dann vierzig, ’s ist keine Zichorie drin.
Jetzt fünfzig, sie geb’n auch kein’n Kaffee her,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Ich bin im Bade gelegen heut’,
Und hatt’ keine Badegelegenheit.
Ich drehte beinahe den Hahn entzwei,
Es kam aber leider nichts raus dabei.
Warm Wasser zu kriegen, das fällt jetzt schwer —
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Ich hab überall jetzt ein Schild geseh’n :
„Sammelt Obstkerne“ sah ich geschrieben steh’n.
Da dachte ich mir, als das Schild ich sah:
Das Obst, das fehlt — und wenn’s Obst nicht da,
Da fällt auch das Kernesammeln schwer,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Die Anzüge macht man jetzt aus Papier.
Da bin ich eigentlich nicht dafür.
Aus Pappe, das laß ich gefallen mir —
Doch manche, die nehmen auch Löschpapier.
Und wenn’s dann mal regnet, dann gibt’s Malheur,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Mal schreibt die Zeitung: Der Friede ist nah’ —
Dann schreiben sie : Er ist noch nicht da.
Dann schreiben sie wieder: Jetzt ist’s so weit.
Dann schreiben sie wieder: Es hat noch Zeit.
So schreiben sie hin — so schreiben sie her,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.

Drei Kragen darf man nur tragen jetzt.
Es geht uns direkt an den Kragen jetzt.
Und auch die Manschetten werden knapp —
Bald knöpft man uns die Krawatten ab.
Bald laufen wir fröhlich im Hemd umher,
Ich wund’re mir über gar nichts mehr.



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