Hannes Wader

Canzoni contro la guerra di Hannes Wader
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Hannes WaderEs scheint so, als sei Hannes Wader mit seiner Entwicklung nicht am Ende. Er sucht noch", kommentierten 1977 die Journalisten Joachim Heppner und Siegfried Schmidt-Joos den damals 35jaehrigen Liedermacher - eine Beschreibung, die auch zwanzig Jahre spaeter noch auf Hannes Wader zutrifft.' Dabei war fuer ihn zunaechst eine durchaus buergerliche Laufbahn vorgesehen: Wader, am 23. Juni 1942 in Hoberge Uerentrop bei Bielefeld geboren, absolvierte eine Lehre als Dekorateur. Nicht zu Ende fuehrte er allerdings ein Graphikstudium: Im Berlin der 1960er Jahre faszinierten ihn mehr die Clubs und Kneipen, begeisterte ihn die Tradition der "American Folk Music", interessierte er sich fuer Namen wie Tom Paxton, Bob Dylan und Pete Seeger. Vor allem aber inspirierte ihn der Franzose Georges Brassens, an dessen Bandbreite von Zynismus bis Zaertlichkeit - musikalisch nur sparsam unterlegt, aber ausgefeilt bis ins Detail - sich Wader vornehmlich in seinen ersten Gehversuchen orientiert.'

1966 trat Wader auf der Burg Waldeck auf - dort, wo u. a. auch Reinhard Mey, Katja Ebstein und Ingo Insterburg (von "Insterburg und Co.") ihre Karriere begannen. Jedoch: "Was man Hannes Wader nie verziehen hat, ist, daß dieser verletzliche, individualistische Poet (..) in kurzer Zeit (..) eine weite Strecke (..) gegen den Wind ging" (Thomas Rothschild).

Fuer eine erste LP entdeckte ihn 1969 Knut Kiesewetter, der dann auch als Produzent fungierte. Auf dieser ersten LP ("Hannes Wader singt") wie auf den folgenden ("Ich hatte mir noch soviel vorgenommen"/1971, "7 Lieder"/1972 und "Der Rattenfaenger"/1973) kam einiges zusammen: Wader´s Praegung durch das Elternhaus (sein Vater war aktiver Sozialdemokrat), sein Nonkonformismus in Verbindung mit einer Gesellschaftskritik, die weitaus eher in der Naehe von Franz Josef Degenhardt liegt als in der von Reinhard Mey.

Als "Medienliebling" eignete er sich kaum - seine "Ballade vom Tankerkoenig" etwa machte ihn der Sympathie fuer die aufkommende RAF-Bewegung verdaechtig. Eine im Rueckblick anekdotische, zur damaligen Zeit fuer Waders Laufbahn aber sehr schaedliche Begebenheit hatte daran wesentlichen Anteil: Fuer die Dauer einer Tournee vermietete Wader seine Wohnung an eine junge Frau, die sich als Studentin ausgab, in Wirklichkeit aber Gudrun Ensslin war. Deren gruendlich misslungene Versuche, Bomben zu basteln, verwuesteten Waders Wohnung, fuehrten zu einer Verhaftung und auch zu einem langandauernden Medienboykott.'

Hannes WaderMitte der 1970er Jahre wandte sich Wader dem deutschen Volkslied zu: Die LPs "Plattdeutsche Lieder" (1974), "Volkssaenger" (1975), "Hannes Wader singt Arbeiterlieder" (1978) sowie "Hannes Wader singt Shanties" (1979) stellen allerdings keine Abkehr von seinen eigentlichen Wurzeln dar, sondern den Versuch, eine Volksliedtradition wiederzubeleben, an ihre Urspruenge zu erinnern und sie vor allem von Deutschtuemelei - diese nicht unwesentlich vom Nationalsozialismus herruehrend - freizuschaufeln. Eigene Lieder, die Wader zwischen 1974 und 1979 unveraendert weiter schrieb, enthielt 1976 die LP "Kleines Testament", deren Titelsong sich an den franzoesischen Dichter Francois Villon anlehnte.'

Kurz nach seinem Eintritt in die 'Deutsche Kommunistische Partei' wechselte W. 1980 zum parteinahen Label 'plaene'. Zwischen 1980 und 1985 erschienen die LPs "Es ist an der Zeit" (1981), "Wieder unterwegs" (1982, live), "Nicht nur ich allein" (1983) und "Glut am Horizont". Eine sich in diesen Produktionen spiegelnde politische Verschaerfung, die schon als tendenzioes gelten durfte, veranlasste selbst den nicht eben Wader-fernen Thomas Rothschild zu einer sarkastischen Kommentierung: "Seit Hannes Wader von der Mutter Partei an die naehrende und waermende Brust genommen wurde, hat sich auch in seinen Volksliedvortrag ein falscher Ton eingeschlichen. Da erklingt bisweilen ein heroisches Pathos, das Wader aesthetisch in die Naehe von Freddy Quinn oder Roger Whittaker rueckt".'

Hervorragend gelang W. dann 1986 die LP "Liebeslieder". Bissig und witzig zugleich verarztete der inzwischen ueber Vierzigjaehrige noch verbliebene Kindheitswunden ("Mammi"), gab sich kritisch wie eh und je ("Jepestinja Stepanowas Garten"), aber - und vor allem! - in glaubhafter Weise zaertlich und sanft. Fast programmatisch zu verstehen war die Zeile "Im Grunde sind all meine Lieder auch Liebeslieder auf ihre Art" aus dem Titelsong "Wenn du meine Lieder hoerst".'

Dem - voruebergehenden - Niedergang des Labels 'plaene' folgte W.s - gleichermassen voruebergehende - Rueckkehr unter das Dach der 'PolyGram'. Die CD "Hannes Wader singt Volkslieder" sollte wohl eine Reminiszenz an die 1970er Jahre werden und auch der Versuch, den Neuanfang auch kommerziell erfolgreich zu starten - ein Experiment, auf das Wader sich eher halbherzig einliess und das die Erwartungen dann auch nicht erfuellte. Besser in Form zeigte er sich 1991 mit der Produktion "Nie mehr zurueck" - ein Motto, mit dem er auch eine Zwischenbilanz zum 50. Geburtstag 1992 haette ueberschreiben koennen. Unter dem Titel "Schon so lang - 1962 bis 1992" kam eine schoene Zusammenstellung schon klassischer und auch neuerer Wader-Titel heraus, den Text zum Booklet schrieb Wader selbst.'

Hannes WaderErkennbar wurde: Wader war laengst kein Partei- oder Bewegungssoldat mehr, sondern - Berufsmusiker. Er bekannte sich offen zum Besitz einer Windmuehle in Nordfriesland wie generell zu der Notwendigkeit des Geldverdienens. Auch war er nicht mehr bloss Brassens-Schueler - sein Schaffen schloss die Zusammenarbeit u. a. mit Werner Laemmerhirt, Martin Kolbe, Ralf Illenberger, Detlef Petersen (Ex-LAKE) und Lydie Auvray ein. War er fuer Joachim Heppner und Siegfried Schmidt-Joos noch 1977 "wohl der ernsteste unter den deutschen Liedermachern" gewesen, geriet ihm das selbstironische "Schoen ist die Jugend" 1991 zum Highlight (auch als verspaetete Retourkutsche an Reinhard Mey, der ihn in seiner "Trilogie auf Frau Pohl" als gnadenlosen Saufaus portraetiert hatte).'

Es verwundert nicht, daß Wader zu den ersten Reaktivatoren von 'plaene' gehoerte. Dort erschien zunaechst 1996 die CD "Liebe, Schnaps Tod" mit Liedern des hierzulande fast unbekannten schwedischen Dichters Carl Michal Bellman - nach Waders eigener Aussage eines seiner Lieblingskinder, zu dessen endgueltiger Realisierung er lange brauchte. Wader griff z. T. auf Bellman-Uebersetzungen deutscher Dichter, u. a. von Klabund, zurueck und holte sich Reinhard Mey und Klaus Hoffmann als prominente Verstaerkung ins Studio.'

Nicht minder ambitioniert praesentierte W. sich 1997 mit Liedern des Komponisten Franz Schubert die CD "Hannes Wadersingt Schubert" wurde mit nicht unbetraechtlichem Werbeaufwand lanciert.'

In der Oeffentlichkeit wird W. nach wie vor kontrovers diskutiert. Seine Kritiker werden nicht muede, in ihm den ewiggestrigen, eine Schirmmuetze tragenden Klampfenspieler zu sehen und seine Fans zu Fossilien zu stilisieren: "Eisgrau und ein bisschen vom Nordseewind gegerbt (..) klimpert er selbstvergessen zwischen den Liedern auf seiner Gitarre",kommentierte ironisch die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' (v. 24.3.1994) ein Wader-Konzert. Eine Wuerdigung zum fuenfzigsten Geburtstag ueberschrieb der 'Trierische Volksfreund' (v. 23.6.1992) gar mit dem Titel "Der 'letzte Mohikaner' singt weiter".'

Wader selbst sieht sich inzwischen viel staerker als Berufsmusiker denn als Vertreter der vom Aussterben bedrohten Gattung "Agit-Pop-Kumpel": "Ich bin durch die Ereignisse, den Zusammenbruch des Kommunismus - falls er ueberhaupt als solcher existiert oder den Namen verdient hat - bis heute so geschockt, dass ich mich noch nicht mal mehr fuer Politik interessiere. (...) Ich weiss nicht, was man in Jugoslawien machen soll. Frieden soll man machen. Und in Tschetschenien" bekannte er - deutlich resigniert - in einem Gespraech mit seinem vor allem im Trierer Raum bekannten Kollegen Walter (Lieder)schmitt ('folk-Michel', Nov.-Dez. 1995). Treibende Kraefte seiner Arbeit sind inzwischen, wie Wader unumwunden zugibt, auch finanzielle Engpaesse - vulgo: die Kohle.'

Gerade die Brueche jedoch sind es offensichtlich, die Wader es ermoeglichen, sich als Kuenstler zu behaupten - und auch der Ehrgeiz, eben immer wieder Neues zu versuchen: "Sueverkruep hat aufgehoert, vom Degenhardt haben wir schon lange nichts mehr gehoert. Kiesewetter, Roski, Mossmann, Horton, Insterburg, Lerryn - Namen, die fast keiner mehr kennt," fasste die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' (v. 24.3.1994) die aktuelle Situation politischer Liedermacher zusammen - eine Einschaetzung, die zumindest auf Lerryn bezogen nicht ganz richtig ist - der ist heute unter seinem eigentlichen Namen Dieter Dehm immer noch - als Texter vor allem - im Showbusiness, gleichwohl auch nicht unumstritten als Politiker in einer der grossen Parteien taetig. Allerdings: Wader ist immer noch auf einem sehr eigenen Weg - und seine immer wieder neuen Aktivitaeten wirken mitunter so, als habe er sich den Refrain seines bekanntesten Liedes zum Credo gemacht - die Erkenntnis naemlich, "dass nichts bleibt, wie es war".'

Wader, der als Liedermacher immer wieder fuer eine Ueberraschung gut ist,lebt privat zurueckgezogen und bescheiden, was schon sein Erscheinungsbild ausdrueckt: Wader im Smoking oder Frack waere unvorstellbar. Traegt er dagegen eine abgewetzte Lederjacke, Fischerhemd oder Prinz-Heinrich-Muetze, dann wirkt das nicht wie ein Kostuem aus dem Theaterfundus, hat nichts Verlogenes, kommt nicht als Bestechungsversuch des Publikums zum Tragen" beschreibt ihn Matthias Henke. Sein einziger Luxus scheint der Besitz einer Windmuehle in Struckum (bei Husum) zu sein, wo er 1978 und 1980 unter dem Motto "Folk Friends" mit internationalen Stars der Folkszene (u. a. Derroll Adams, Finbar Furey, Dolores Keane, Andy Irvine) zwei ansprechende Doppel-Alben einspielte. Bei aller Streitbarkeit, die man ihm nicht absprechen kann - ein Langweiler ist der Mensch und Kuenstler Wader nicht.
(Munzinger Archiv)



TOURDATEN
SOUNDCLIPS
TOURFOTOS '98
DAS TOURTAGEBUCH VON HANNES WADER


Diskographie:
"Hannes Wader singt" (1969) Philips
"Ich hatte mir noch soviel vorgenommen" (1971), Philips
"7 Lieder" (1972), Philips
"Der Rattenfaenger" (1973), Philips
"Plattdeutsche Lieder" (1974), Philips
"Volkssaenger" (1975), Philips (live)
"Kleines Testament" (1976), Philips
"Hannes Wader singt Arbeiterlieder" (1978), Philips
"Hannes Wader singt Shanties" (1979), Philips
"Es ist an der Zeit" (1981), plaene
Wieder unterwegs" (1981), plaene (live)
"Dass nichts bleibt, wie es war" (1982), plaene (live)
"Nicht nur ich allein" (1983), plaene
"Glut am Horizont" (1985), plaene
"Liebeslieder" (1986), plaene
"Bis jetzt - Live 86" (1987), plaene
"Nach Hamburg" (1989), plaene
"Hannes Wader singt Volkslieder" (1990), Mercury
"Nie mehr zurueck" (1991), Mercury
"Zehn Lieder" (1995), plaene
"Liebe, Schnaps und Tod - Hannes Wader singt Bellman" (1996), plaene
"Hannes Wader singt Schubert" (1997), plaene
"Auftritt" (1998), plaene